Grass Restaurierung


restaurierter ZustandSchmuck des Gotteshauses

Arnt von Kalkar und Zwolle (+1492)
Anbetung der Heiligen Drei Könige


Niederrhein, 1480-85
Eichenholz, wahrscheinlich drei übereinanderliegende Farbfassungen des 15. bis 19.Jahrhunderts,
H. 137cm, Br 101 cm, T 40 cm.
1993 aus französischen Privatbesitz erworben
A 1083

Die künstlerische Aufgabe der Gestaltung vielfiguriger Szenen in den großen spätgotischen Flügelaltären regt im 15. Jahrhundert in den Niederlanden und am Niederrhein zu immer neuen künstlerischen Lösungen an. Zwei Szenen sind es besonders, die im Lauf des 15. Jahrhunderts stets reicher ausgeschmückt werden, die Kreuzigung Christi und die Anbetung der Heiligen Drei Könige. Hier hat vor allem die Darstellung des Zuges und des exotischen Gefolges der Könige, die Pracht ihrer Gewänder und die Schilderung des Stalls von Bethlehem die Phantasie der Maler und Bildhauer herausgefordert. Die Errungenschaften aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts, Prägungen vor allem der Brüder van Eyck und Rogiers van der Weyden, werden in den zwei Generationen von der Mitte bis über das Ende des 15. Jahrhunderts hinaus in der Tafelmalerei wie in der Skulptur immer neu aufgegriffen und variierender niederrheinische Holzbildhauer und Steinmetz Meister Arnt, der seit etwa 1460 bis zu seinem Tod 1492 zeitweise in Kalkar und Zwolle Werkstätten -unterhielt, gehört in der zweiten Jahrhunderthälfte zu den stilprägenden Persönlichkeiten innerhalb der vielfältigen Kunstindustrie der künstlerisch und wirtschaftlich eng verflochtenen Städtelandschaft zwischen Köln und der niederländischen Küste. Sein umfangreichstes Werk hat der Meister selber nicht mehr vollenden können. Aber durch den Schriftverkehr über die Bestellung, Finanzierung und Fertigung des Hauptalteres der Nikolaikirche zu Kalkar wird er als spätgotischer Werkstattvorstand und Unternehmer für uns lebendig. Außer einigen Werkstücken des riesigen Kalvarienberges im Hauptaltar und zwei der bühnenartig gerahmten Szenen in der Predella unter der großen Bilderwand des Kalkarer Hochaltares kennen wir von Meister Arnt noch einen weiteren Altar in der Nikolaikirche, der dem hl. Georg geweiht und von einem Kalkarer Bürgermeister gestiftet ist, sowie vereinzelte Figuren in Kirchen und Museen, außerdem ein besonders fein ausgeführtes Hausaltärchen im Pariser Mus& de Cluny, das von einem Kartäuser der Kranenburger Kartause nicht weit von Kalkar gestiftet worden ist. Ähnlichkeiten in der Figurenkomposition, bei der immer wieder das intensive Beziehungsgeflecht von Gespräch, Blick und Gebärde auffällt, bestimmte Formeln in der Faltenkomposition der Gewänder und Merkmale wie die langen Ohrläppchen oder die besonders breiten ersten Daumenglieder beweisen, daß auch das Dreikönigenrelief des Schnütgen-Museums aus der Werkstatt dieses Meisters kommt, dessen Kunst der seines süddeutschen Zeitgenossen Riemenschneider ebenbürtig ist.
Die Huldigungsszene ist aus einer außerordentlich großen Eichenbohle geschnitzt. Die Figuren der drei Könige sind wahrscheinlich im halbfertigen Zustand vom Block abgetrennt, von allen Seiten ausgearbeitet und wieder an ihre Stelle eingese zt worden. Auch Durchbrüche wie das Stallfenster oder das Fenster der, Geburtshöhle' zu Füßen Mariens sind als technische Vorkehrungen gegen das Reißen des riesigen Holzstückes sinnvoll in die ganze Komposition einbezogen. Neben diesen Zeichen des handwerklichen Könnens fasziniert bei aller Vielfalt die Übersichtlichkeit dieses großen geschnitzten Bildes, in dem einundzwanzig Personen, sechs Pferde, zwei Kamele, ein Ochs und ein Esel zu sehen sind. Mit kühnen Proportionssprüngen vom Vordergrund zu den ergötzlich geschilderten Figürchen des Hintergrundes wird die Illusion eines tiefen Landschaftsraumes erzeugt, aus dem der prächtige Zug der Könige sich in einer Diagonale von rechts oben zur Mitte des linken Bildrandes hin entwickelt. Durch die fast aus dem Rahmen fallende Figur des Mohrenkönigs unterbrochen und umgelenkt, schwingt die Bewegung im Halbkreis der Huldigungsszene vor Maria aus. Die stille, frontale Gestalt des Joseph schräg gegenüber der bewegten Rückenfigur des Mohren wirkt am linken Bildrand wie ein ruhender Pol. Durch das Entgegennehmen des Geschenks vom alten König und seine ganz ins Bild hinein gewendete Aufmerksamkeit fängt er in mehrfacher Weise die Bewegung des Ganzen auf. Für die Bewältigung des Tiefenraumes und die Monumentalität der vorderen Figurengruppe sowie viele Einzelmotive haben auch hier die Bilderfindungen der großen Maler von Rogier van der Weyden (der hutschwenkende Mohr) bis Hugo van der Goes Pate gestanden. Aber Meister Arnt hat solche Vorbilder, die zu seiner Zeit zumeist durch Kupferstiche oder Holzschnitte vermittelt worden sind, zu einer neuen, eindringlichen Erzählung umgeprägt. Mit großer Intensität und einem Gespür für verschiedene Ausdrucksqualitäten in Gesichtern und Körpersprache schildert er Menschentypen, Verhaltensweisen und Beziehungen der Mitspieler in diesem bühnenhaft komponierten Ereignis, das doch ganz lebensnah wirkt. Innerhalb der großen Kompositionslinien sind es die liebevoll geschilderten Details, die das Ganze auch inhaltlich noch einmal verflechten. Das geschieht zum Beispiel durch den am Zügel geführten Schimmel an der Spitze des Gefolgszuges, der deutlich macht, daß der Mohrenkönig gerade abgestiegen ist. Seine raumgreifende Geste umgrenzt zwischen ihm und der wiederum intensiv mit sich selbst beschäftigten Dreiergruppe seines Gefolges einen kreisförmigen Raum. Zugleich ist der Mohr mit allen Phasen des Geschehens verbunden durch das Lüften des Hutes, den Griff nach seinem Geschenk, das der Page auf abschüssigem Grund balanciert, sowie seinen schon ganz auf das Kind mit der Mutter konzentrierten Blick. Auch in der ruhigeren Szene des Vordergrundes wird deutlich, wie MeisterArnt mit allen Möglichkeiten einer an der Wirklichkeit geschulten Darstellungskunst spielt. Der ganz in Verehrung versunkene alte König ist trotz seiner Vereinzelung nicht isoliert, weil hinter ihm die josephsfigur und dahinter wieder die beiden über die Stalltür schauenden Hirten seine Konzentration zweifach gebrochen spiegeln. Zudem wiederholt sich sein Bewegungsmotiv nur leicht variiert in dem mittleren König gegenüber mit der sehr sorgfältig geringelten Haar- und Barttracht (eines der auch bei anderen Werken Meister Arnts wiedererkennbaren Werkstattmerkmale). In dem Kontrast des hellen Kinderkörpers mit der Pracht der Gewänder von denen das Christkind umgeben ist, und in der zarten und liebenswürdig-gefühlvollen Gebärde des mittleren Königs konzentriert sich die ganze Aufmerksamkeit.
Dazu kommt aber noch eine zweite Ebene der Detailschilderung, denn die vielfache symbolische Deutung der Epiphanie mit ihren in Jahrhunderten gewachsenen gelehrten oder legendären Deutungen ist ebenfalls in die Darstellung eingeflochten.
Der Stall zu Bethlehem ist ein bizarres Ruinengebilde, eine Mischung aus repräsentativer Steinarchitektur und verfallenem Fachwerk. Damit soll der verfallene Palast des Königs David symbolisiert werden. Ochs und Esel, die seit der Spätantike zum Bild der Geburt Christi gehören, erinnern an den Spruch des Propheten Jesaia, der auf den Messias hinweist:"Ein Ochse kennt seinen Herrn, ein Esel die Krippe seines Herrn". Schließlich fallen die vergoldeten Stroh- oder Riedbündel auf, die auf dem löchrigen Dach liegen. Das ist ein Hinweis auf die Erneuerung und Überwindung des alten Bundes durch die Geburt Jesu. Marias Position auf einer Steinbank über einem schräg nach vorn geführten Mäuerchen verschafft ihr eine eigene kleine Raumbühne (Detail 3). Das Mäuerchen mit dem vergitterten Fenster ist aber auch eine Erinnerung an frühchristlich-byzantinische Darstellungen der Geburtsszene, die damals zumeist in eine spelunca subterranea', in eine regelrechte Geburtshöhle verlegt wurde. Eben dieses Motiv ist wiederum ein Beweis, daß MeisterArnt den um 1460 in St. Kolumba aufgestellten Altar Rogier van der Weydens oder graphische Wiederholungen davon gekannt hat. Rogier führt nämlich im Kolumba-Altar dieses Motiv in die spätgotische Kunst wieder ein.
Das Dreikönigenrelief mit seiner vielschichtigen und prächtigen Darstellung des alten Themas war wahrscheinlich Teil eines größeren Flügelaltares. Möglicherweise gehörten zu der Szene mit der Anbetung der Heiligen Drei Könige noch zwei Reliefbilder mit der Verkündigung an Maria und der Geburt Jesu in einem in der Mitte überhöhten dreiteiligen Aufbau. Innerhalb dessen hätte dann das Dreikönigenrelief den rechten Abschluß gebildet.

Text und Bild aus:

"Die Heiligen Drei Könige"
Hiltrud Westermann-Angerhausen
(Meisterwerke im Schnütgen-Museum, Köln)
Greven Verlag Köln 1996

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